Manuskripte 2023

Kirchentag in Nürnberg

In dieser Datenbank haben Sie die Möglichkeit, Redebeiträge vom Kirchentag in Nürnberg 2023 einzusehen.

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Sperrfrist
Do, 08. Juni 2023, 22.00 Uhr

Do
22.00–22.15
in Deutscher Gebärdensprache
Gottesdienst feiern | Zum Abend und zur Nacht
Nachtsegen. Tagesausklang. Kerzenmeer.
Zuspruch zur Nacht
Prof. Dr. Heike Springhart, Landesbischöfin, Karlsruhe

Jedes Licht im Meer hier auf dem Platz ein Licht zum Träumen.

 

Was für ein Bild, Ihr Lieben. 

 

Jedes Licht ein Haltepunkt für die Augen – 

in der einen Minute, 

in dem einen Moment dieses Nachtgebets.

 

Jetzt ist die Zeit – 

um die Momente und Zeiten dieses Tages noch einmal Revue passieren zu lassen. 

Zeit, um die Nacht kommen – und den Tag gehen zu lassen.

 

Das Feiern und das Reden, 

das Herumirren und das Finden, 

überraschende Momente, in denen mir Gott ganz nahe war – 

und der Mensch neben mir auch. 

 

Zeit zum Träumen – und dafür, die dünne Haut zu wagen. 

Jetzt und hier. Zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang. 

Der Tag geht und die Nacht kommt – 

jede Minute des hellen Tages 

und auch die Minuten der dunklen Nacht 

stehen unter der Zusage Gottes, die schon in den alten Psalmen zu lesen ist: 

Gott ist der Schatten über deiner rechten Hand – 

dass dich des Tages die Sonne nicht steche, 

noch der Mond des Nachts. 

 

Auch in den Zwischenzeiten ist Gott da und hält uns.

 

Mir geht das heute Abend nah. Ich lebe in so einer Zwischenzeit.

 

Vor wenigen Tagen ist mein Vater gestorben. 

Wir hatten nicht damit gerechnet. 

Die Beerdigung liegt noch vor uns. 

Es ist eine eigenartige Zwischenzeit.

 

In dieser Zeit zwischen Sonne und Mond, 

zwischen Licht und Dunkel, 

zwischen Leben und Tod – ist meine Haut dünn. 

Ich spüre den Schmerz und die Härte – und mich berührt jede sanfte Zuwendung besonders tief. 

In anderen Zeiten liebe ich diese Zeit, wenn die Partyklänge noch in den Ohren dröhnen und die Nacht sich friedlich anpirscht. 

 

Es ist die Zeit, in der ich dünnhäutiger bin als am Rest des Tages, auch ohne Trauer.

 

Dann dringen die Träume durch in meine Seele – 

und die Sehnsüchte auch, die erfüllten und die unerfüllten. 

 

Es braucht Mut zu träumen. Dreamer sein – mit allen Sinnen, mit allen Risiken der Enttäuschung und allen Nebenwirkungen voll Schmerz. Und doch wunderschön. 

 

Träume sind mehr als Schäume. 

Je tiefer die Nacht, umso klarer sind sie.

 

Jakob hat geträumt von der Himmelsleiter und davon, wie Engel daran hoch und runter gestiegen sind. 

 

Josef hat geträumt – das hat ihm Weitsicht gegeben und den Neid der Brüder auf sich gezogen. 

 

Der Apostel Paulus hat geträumt – von einem Menschen aus Mazedonien, der die Hände ausstreckte: komm herüber und hilf uns. Wäre Paulus seinem Traum nicht gefolgt, wären wir alle heute Abend nicht hier, jedenfalls nicht als Christenmenschen.

 

Wann habt Ihr das letzte Mal geträumt?

Nachts in seltsam verschobenen Bildern. 

 

Und tags voll Hoffnung und Blick in die Zukunft. 

 

Jetzt ist die Zeit – zu träumen. 

 

Und die Träume dieses Tages aufzubewahren. 

Ein Schatz wie diese eine Minute eben.

 

Jetzt ist die Zeit – zu hoffen und zu lieben und nicht aufzuhören, für eine gute Zukunft einzustehen, wachzurütteln, aufzustehen. 

 

Jedes Licht im Meer hier auf dem Platz ein Licht zum Träumen. 

 

Versteckt euer Licht nicht, steckt es nicht unter einen Eimer, 

stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, sagt Jesus. 

 

Eure Träume, Eure Hoffnungen, die großen und die kleinen Kirchentagsmomente heute – auf die kommt es an. 

Jede Minute ist kostbar. Die Partymomente, aber auch die nachdenklichen, sogar die melancholischen und traurigen.

 

Nehmt sie mit in die Nacht. 

Legt sie Gott ans Herz. 

 

Seine Zeit liegt in unseren Händen.

Und unser Leben liegt in seinen Händen. 

 

Jede einzelne Minute. 

Die erste und irgendwann auch die letzte. 

Und alle dazwischen. 

Meine Zeit, Gott, sie liegt in deinen Händen. 

Danke – und Amen!


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